Vor einigen Wochen endete die Fußball-Euro­pa­meis­ter­schaft, deren Finale mit Spannung ver­folgt wurde. Italien gegen England. Italien ging als Sieger hervor. Eine ner­ven­zer­rei­sende Phase, gerade als es in die Ver­län­gerung samt Elf­me­ter­schießen ging. Nicht 90 sondern 120 Minuten kör­per­liche Leistung plus die mentale Belastung, während man ver­suchte, die „Elfer“ zu ver­wandeln. Eine groß­artige Leistung von Spielern, Tor­hütern aber auch Seitens der Schiedsrichter.

Bis zu 200 Ent­schei­dungen regel­konform im „Grau-Bereich“ treffen

Die Auf­gaben und die Ver­ant­wortung, die jenen Schieds­richtern zu Teil wird, ist enorm. Ganz abge­sehen von der kör­per­lichen Fitness. So legen die „Neu­tralen“ in einem Spiel bis zu 15 Kilo­meter zurück, die sie größ­ten­teils sprinten. Bis zu 200 Ent­schei­dungen müssen blitz­schnell und glasklar getroffen werden. Für das ungeübte Auge ohnehin kaum nach­zu­voll­ziehen: Denken wir an Zeit­lu­pen­auf­nahmen und daran, wie schwierig doch manche Details zu erkennen sind. Ent­schei­dungen werden daher meist nicht im Bereich „schwarz oder weiß“ sondern innerhalb einer Grauzone getroffen.

Michael Gräfe erfüllt die Voraussetzungen

Gräfe (47), bekannt durch tadellos geleitete Ein­sätze in der höchsten Fuß­ballliga, muss — ginge es nach dem DFB — seine Schieds­rich­ter­pfeife alters­be­dingt an den Nagel hängen. Und das, obwohl er Leis­tungs­nach­weise in Form von Spiel­lei­tungen unter pro­fes­sio­neller Beob­achtung, Teil­nahme an Lehr­gängen, sport­me­di­zi­nische Unter­su­chungen und das Bestehen von theo­re­ti­schen und prak­ti­schen Leis­tungs­prü­fungen sowie bis zuletzt ein­wandfrei geleitete Spiele vor­weisen kann. Ath­le­tische oder kognitive Mängel waren bei den Spiel­lei­tungen Gräfes in der letzten Spielzeit nicht zu erkennen.

Zweck der Alters­grenze laut DFB

Fakt ist: Der DFB sieht in der Alters­grenze die Chance der Nach­wuchs­för­derung, denn jeder Schieds­richter, der alters­be­dingt nicht mehr zum Einsatz kommt, gibt einem Nach­wuchs­richter die Mög­lichkeit des Auf­stiegs in die höchste Liga. So möchte der DFB gewähr­leisten, dass er nach­haltig auch auf inter­na­tio­nalem Rasen ein hohes Niveau des Schieds­rich­ter­kaders sicher­stellen kann. Der DFB sieht also vor, dass Schieds­richter, die das 47. Lebensjahr voll­endet haben, nicht mehr für die dar­auf­fol­gende Spielzeit nomi­niert werden, während die Alters­grenze also ein­schrän­kungslos gilt.

Das Arbeit­ge­ber­gesetz

Fakt ist aber auch, dass sich Gräfe nur bedingt auf das AGG berufen kann, denn ein klas­si­scher Arbeits­vertrag liegt nicht vor. So schließen Verband und Schieds­richter grund­sätzlich eine Rah­men­ver­ein­barung ab, die jedoch nicht als Arbeits­vertrag gilt. Schieds­richter erbringen zudem keine Tätig­keiten, bei denen sie wei­sungs­ge­bunden dem Verband gegenüber sind. Ferner steht es den Schieds­richtern auch zu, Spiel­an­set­zungen abzulehnen.

Schluss mit 47

Der DFB bleibt bislang seiner Linie treu, mit 47 Jahren soll es keine Ver­län­gerung für Gräfe und Co. mehr geben.

Gräfe klagt

Mit dieser Ent­scheidung ist der Kläger nicht ein­ver­standen und pocht eben doch auf Ver­län­gerung. Die Klage hat Potenzial, könnte das Schieds­rich­ter­wesen umge­krempelt oder zumindest ein Zeichen gesetzt werden. Am Ende des Ver­fahrens steht eine mög­liche Ent­schä­digung für Gräfe seitens des DFB in Aus­sicht, trotzdem solle man nicht den Ver­dacht erheben, Kläger und Verband einigen sich auf ein „Wir zahlen, du beendest Deine Kar­riere“. Gräfe hat sich ein starkes Bild in der Öffent­lichkeit auf­gebaut, das er durch einen solchen Deal nicht zer­stören wird. Zudem führt er, laut eigener Aus­sagen, das Ver­fahren auch deshalb, um Kol­legen in ähn­lichen Situa­tionen künftig zu stärken.

Bleiben wir gespannt, wie sich das Ver­fahren ent­wi­ckelt und schließlich das Urteil ausgeht.